Skip to content

„No Comment“ ist auch ein Kommentar: Warum Krisen gute Kommunikation brauchen

krisenkommunikation

Es ist eine der größten Herausforderungen, vor dem ein Unternehmen stehen kann: Eine Krise droht, oder ist bereits eingetreten. Die Öffentlichkeit hat Klärungsbedarf, der stündlich steigt. Der richtige kommunikative Umgang mit der Krise entscheidet oft auch über die langfristige Reputation eines Unternehmens. In den letzten Wochen gab es einige Fälle, bei denen Unternehmen im Zentrum eines „Shitstorms” standen. Die folgenden Punkte können helfen, Krisen kommunikativ zu managen – und im Fall der Fälle vorbereitet zu sein.

Krisen durchlaufen häufig Phasen

Zunächst ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass Krisen oft einen Zyklus durchlaufen, der sich grob in vier Phasen unterteilen lässt – Dauer und Intensität sind unterschiedlich und hängen oft auch von Nachrichtenfaktoren wie „Relevanz” oder „Prominenz” ab:

  • Ausbruch der Krise: Zu Beginn einer Krise ist die Aufmerksamkeit auf das Thema hoch, Nachrichten und auch Spekulationen überschlagen sich.
  • Entfaltung der Krise: Medien beginnen Hintergründe zu recherchieren, der Rechtfertigungs- und Erklärungsdruck steigt.
  • Abklingen: Ist die Krise „auserzählt“ oder schlüssig eingeordnet, sinkt das Interesse und die Aufmerksamkeit.
  • Nachbereitung: In dieser Phase geht es darum, aus möglichen Fehlern zu lernen und auch darum, Vertrauen wiederaufzubauen. Ist die Krise auch gut gemanaged worden und gerade auch mehr Vertrauen entstehen, kann es jetzt darum gehen, dies zu verstärken. Hierzu gehört auch eine rigorose Fehleranalyse, was zu der Krise geführt hat.
  1. Gute Krisenkommunikation hat eine gute Vorbereitung

Die Pressestelle ist nicht besetzt, die Geschäftsführung will am Wochenende nicht gestört werden – und bei Twitter und Co. baut sich ein „Shitstorm” auf, obwohl doch mögliche, drohende Risiken längst bekannt waren oder schlichtweg eine Sondersituation eingetreten ist: Hier ist etwas in der Kommunikationsstrategie schiefgelaufen. Gute Krisenkommunikation fängt dann an, wenn es noch gar keine Krisen gibt. Eine offene Analyse des Umfelds oder möglicher interner oder externer Krisenpotenziale (Krisenaudit) sollte Bestandteil jeder smarten Unternehmensstrategie sein. Daraus folgen konkrete Handlungsschritte in einem klar strukturierten „Wenn-Dann-Szenario”. Wichtig ist auch sicherzustellen, dass im Notfall nicht nur eine Person in der Lage ist, die Strategie umzusetzen. Abläufe sollten klar und präzise beschrieben und aufgeschlüsselt werden.

  1. Ohren auf: Warum effektive Krisenkommunikation ein Frühwarnsystem braucht

Der Zeitfaktor bei Krisenkommunikation ist kritisch: Mit Social Media hat jede*r User*in, der bzw. die ein Problem hat und als Stakeholder betroffen ist, die Möglichkeit, öffentliche Debatten loszutreten. Ab einer kritischen Masse erreicht dies rasch auch die Premium-Medien, denn viele deutsche Journalisten*innen sind auf Twitter vertreten und so stets up to date. Als Unternehmen sollte man sicherstellen, von sich anbahnenden Krisen nicht überrascht zu werden. Nur so kann schnell reagiert und öffentlich dazu kommuniziert werden. Es ist also ratsam, auf den Social-Media-Kanälen mit eigenen Accounts vertreten zu sein oder zumindest als Pressesprecher*in Debatten zu monitoren. Es gibt viele gute Social-Listening-Tools und auch die Einrichtung von Google Alerts sollte eine Selbstverständlichkeit sein, um tagesaktuelle Entwicklungen wie Gespräche über die Marke im Web nicht zu verpassen.

  1. Prozesse, Prozesse, Prozesse!

Strukturierte Abläufe und Prozesse helfen, eine Krise zu managen. Zentral ist, wer im Krisenfall kommuniziert und wie die Abstimmung mit den Stakeholdern strukturiert wird. Denn in der Krise dürfen keine Messages „durchrutschen”, die nicht passgenau abgestimmt sind. Hier sollte ehrlich geprüft werden, ob der bzw. die Kommunikator*in entsprechende Medienerfahrung hat, um auch bei einer Liveschaltung zur Prime-Time die eigenen Key Messages aufrechtzuerhalten. Denn er oder sie ist in der Krise das Gesicht des Unternehmens. Dabei gilt: Je hochkarätiger diese Person ist, desto glaubwürdiger ist auch die Kommunikation. Darüber hinaus wird die Ernsthaftigkeit, die das Unternehmen dem Problemfall schenkt, unterstrichen: Dieser Sonderfall ist „Chef*innen-Sache”.

  1. Erklären, Beruhigen, Perspektiven aufzeigen

Die erste Frage, die Medien und die Öffentlichkeit haben, ist meistens: Stimmt das? Und: Wie konnte das passieren? Wer ist schuld? Was sind die möglichen Konsequenzen?  Gute Krisenkommunikation greift dies auf und gibt erste Orientierung. Kann man sich noch nicht festlegen, sollte man zumindest die Message senden, dass man sich bereits kümmert bzw. noch prüft. Drei mögliche Parameter können helfen, die eigenen Botschaften im Krisenfall zu strukturieren:

1) Erklären: Das Unternehmen sagt, was seiner Ansicht nach passiert ist bzw. nach aktueller Lage gesagt werden kann. Gegebenenfalls korrigiert es Gerüchte und Aussagen, die nicht zutreffen oder signalisiert, dass man sich aktuell noch einen Überblick verschafft. Sich wegzuducken oder „no comment“ zu geben zeigt hingegen eher, dass man etwas zu verbergen hat. Wie der bekannte Kommunikationsexperte Paul Watzlawick schon sagte: Man kann nicht nicht kommunizieren.

2) Beruhigen: Gute Krisenkommunikation ordnet Krisen effektiv in Kontexte ein. Sie kommuniziert glaubwürdig, denn das ist das höchste Gut. Sie akzentuiert beruhigende Elemente.

3) Perspektiven aufzeigen: Wenn möglich sollten auch potenzielle Auswege bzw. positive Lösungsansätze kommuniziert werden.

Nicht vergessen: Die eigenen Mitarbeiter*innen kommunikativ abholen!

Wichtig ist also im Krisenfall die Message: „Wir sind dran und wir sind erreichbar, um alles notwendige für Kunden, Partner etc. zu tun!”. Was man jetzt nicht vergessen darf, ist die Mitarbeiterschaft des Unternehmens. Es gilt, diese auf möglichst aktuellem und genauem Informationsstand zu halten. Denn die eigene Belegschaft ist immer ein „Transmissionsriemen” nach außen. Gute Kommunikation gibt hier immer auch Orientierung und eine Richtung vor. Tools können einerseits Mailings der Geschäftsführung sein oder Videokonferenzen, die der gesamten Belegschaft die Chance geben, direkt Fragen an die Führung zu stellen.

Rechtliche Aspekte einer Krise sollten immer geprüft werden und von Beginn an Rechtsbeistand einbezogen werden. In manchen Fällen kann man sich nicht inhaltlich positionieren. Aber man kann kommunizieren. So wie jedes Unternehmen einzigartig ist, muss auch eine Strategie passgenau sein und dem Produkt entsprechen.

Aus aktuellem Anlass bietet auch die Corona-Epidemie für jedes Unternehmen Gelegenheit, eine stringente Krisenkommunikation auf die Agenda zu setzen. Viele Unternehmen müssen ihre Services einschränken oder senden Mitarbeiter*innen ins Home Office. Damit die Anrufe z.B. im Call-Center nicht ins Leere laufen, gehört eine Kommunikation auf der Linie „Erklären-Beruhigen-Perspektiven aufzeigen” für alle Kunden und Stakeholder auf die dringende To-Do-Liste.

  1. Den „Shitstorm“ durchsegeln, ohne unterzugehen

Wenn die Krise bereits ausgebrochen ist, sind zwei Strategien überlegenswert: Ein defensives, low profile-Verhalten oder proaktive, lösungsorientierte Kommunikation. Defensiv zu agieren bietet sich an, wenn es sich um eine begrenzte Krise handelt, die nur einige wenige Bereiche oder Personen betrifft und noch keine größeren Ausmaße angenommen hat. Hat das Problem allerdings bereits zu einem Shitstorm geführt, ist proaktive Kommunikation zielführender. Die Strategie hängt natürlich auch davon ob, ob bereits konkretes Fehlverhalten vonseiten des Unternehmens bzw. einzelnen Vertretern*innen vorliegt.

  1. Nach der Krise fängt die Arbeit an

Dank guter Vorbereitung Glück gehabt und Krise eingedämmt? Das ist zwar gut, aber jetzt fängt die eigentliche Arbeit erst an. Denn gute Krisenkommunikation bereitet die Krisen im Nachgang auf. Sie schaut, ob das, was als Lösung versprochen wurde, auch umgesetzt wird. Sie baut durch PR oder Werbung online wie offline die Marke wieder auf. Und vor allem lernt sie aus möglichen Fehlern. Vielleicht ist dies auch eine Möglichkeit des Neuanfangs und Neupositionierung.

Die chinesische Sprache bringt diesen Aspekt ganz gut auf den Punkt: die Begriffe für „Krise” und „Chance” enthalten bemerkenswerterweise als zweiten Bestandteil das gleiche Schriftzeichen. Eine gut gehandelte Krise kann also der Ausgangspunkt und somit gleichzeitig eine Chance für eine glaubwürdigere Unternehmensreputation sein. Ein Schlüsselelement dabei ist Kommunikation.

Von André Glasmacher

André Glasmacher ist als Senior Communications Manager bei schoesslers tätig. Der studierte Kommunikationswissenschaftler arbeitete zuvor jahrelang als Berater in der politischen Kommunikation sowie für diverse Startups. 

www.marconomy.de