Skip to content

“Wortschatz” Kolumne – unsere Texterin Franzi schreibt über Sprache

gendern

“Sie ist hier der Boss – das weiß man doch” – Fällt euch an diesem Satz etwas auf?

Die Autorin und selbstständige Beraterin Anne Wizorek ist der Meinung: „Sprache ist unser alltäglichstes Werkzeug und kann damit eine große Macht ausüben. Damit geht auch eine Verantwortung einher […]“. Denn die Art und Weise, wie wir Sprache nutzen, hat einen erheblichen Einfluss. Sie setzt sich in unserem Unterbewusstsein fest. Und das vermittelt uns ganz subtil: it’s a mans world.

Die Probleme sind tief verwurzelt

Noch immer hören und lesen wir in den Nachrichten vorwiegend von Männern. Allerdings stimmt das so nicht. Doch werden nicht explizit auch andere Geschlechter genannt, wissen wir häufig gar nicht, dass auch Frauen oder Personen des dritten Geschlechts gemeint sind. Das liegt daran, dass die meisten Formulierungen bis heute im generischen Maskulinum gehalten werden. Die männliche Form wird genutzt, um gemischtgeschlechtliche Gruppen zu beschreiben – doch wir denken dadurch meist ganz automatisch, ausschließlich Männer seien gemeint.

Das Tückische daran? Das geschriebene Wort ist unauffällig. Es schiebt sich nicht in den Vordergrund. Nichts überliest sich besser als fehlende Buchstaben wie beispielsweise ein einfaches „in“ am Wortende. Gerade deshalb hat sich das Konzept der maskulin-fokussierten Sprache umso tiefer in der Gesellschaft festgesetzt. Während weibliche und intersexuelle Menschen in anderen Bereichen längst für mehr Gleichberechtigung einstehen, nehmen sie oft gar nicht wahr, dass bestimmte Ausdrucksweisen ausschließlich männlich fokussiert sind. Zudem Texte meist mit einem kleinen Zusatz versehen werden: Wer kennt nicht Formulierungen wie „Aufgrund der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf Personen beiderlei Geschlechts.“ oder das Kürzel „m/w/d“ bei Stellenausschreibungen? Unternehmen können es sich heutzutage schlichtweg nicht mehr leisten, explizit nur Männer anzusprechen. Werden derartige Formulierungen genutzt, um alle Personengruppen einzuschließen, ist die Gesellschaft jedoch zum Großteil besänftigt. Allerdings macht man es sich damit zu leicht. Denn außer einem Kopfnicken in Richtung anderer Geschlechter, einem Zugeständnis am Textende, verändert sich nichts an der vorherrschenden Denkweise. Auch weiterhin liegt der Fokus auf der männlichen Form, andere Geschlechter dürfen sich lediglich darüber freuen, überhaupt mitgemeint zu sein. Sie bleiben jedoch weiterhin unsichtbar.

In der Kommunikationsbranche herrscht Uneinigkeit
Teil des Problems sind im Prinzip alle, die Texte in dieser Form produzieren und öffentlich zugänglich machen. Neben anderen kommt dabei auch der Medien- und Kommunikationsbranche eine besondere Bedeutung zu, denn sie erstellt Beiträge für die Öffentlichkeit – und beeinflusst durch ihre Wortwahl, wie wir Dinge wahrnehmen. Ein Blick in den Public Relations-Sektor zeigt allerdings: so richtig sicher ist sich niemand, was da eigentlich vor sich geht. Eine aktuelle Umfrage von news aktuell und Faktenkontor von Februar 2020 macht deutlich, dass ganze 45 Prozent keiner eindeutigen Regel folgen, wie sie mit gendergerechter Sprache umgehen. Unterstrich und Gendersternchen, geschlechtsneutrale Formulierungen, Dopplungen – viele Kommunikator*innen sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dazu kommt: für über die Hälfte der Befragten scheint das Thema eher bzw. sogar völlig unwichtig zu sein. Allerdings zeigt die Befragung auch Geschlechterunterschiede: Während das Thema für 22 Prozent der Frauen eine sehr hohe Bedeutung hat, sind es nicht mehr als 6 Prozent der Männer. Das macht nicht gerade Mut. Und es zeigt, dass sich dringend etwas ändern muss.

In der Kommunikationsbranche übliche Textarten wie Pressemitteilungen sind allerdings generell nicht für ihre außergewöhnliche Sprachvielfalt bekannt. Oft geht es vor allem darum, Informationen kurz und verständlich zu vermitteln. Dopplungen wie „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ verlängern häufig ohnehin schon komplexe Sätze. Wer sich an Journalist*innen wendet und E-Mail-Anreden wie „Sehr geehrter Medienpartner, sehr geehrte Medienpartnerin“ oder die Pluralform „Sehr geehrte Medienpartner“ nutzt, gibt dem Gegenüber nicht das Gefühl, individuell angesprochen zu werden. Davon einmal abgesehen, dass Geschlechteridentitäten jenseits von Frau und Mann bei dieser Anrede nicht eingerechnet werden. Dazu kommen Probleme mit gesprochen Texten – wie klingt der Beitrag mit Dopplungen und bewussten Betonungspausen?

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma?
Die gute Nachricht: viele Wege führen zur geschlechtergerechten Sprache. Neuerdings bekannt und beliebt sind vor allem Formulierungen mit Unterstrich, Doppelpunkt oder Gendersternchen, also beispielsweise Mitarbeiter_innen/ Mitarbeiter:innen/ Mitarbeiter*innen oder der_die Besitzer_in/ der*die Besitzer*in/ der:die Besitzer:in. Unterstrich, Doppelpunkt und Sternchen haben die Funktion eines symbolischen Platzhalters, um auch Menschen anzusprechen, die sich nicht als Frau oder Mann definieren. Zwar sind auch Binnen-I, Klammer und Schrägstrich weit verbreitet, allerdings überwindet man mit ihnen nicht die strikte binäre Geschlechterordnung. Sinnvolle Alternativen können allerdings neutrale Formulierungen sein. Damit sind nicht nur Substantivierungen wie Mitarbeitende oder Abteilungsleitende gemeint, denn gerade diese klingen häufig künstlich und lenken ungewollte Aufmerksamkeit auf sich. Direkte Geschlechterzuordnungen lassen sich auch vermeiden, wenn von der Fachkraft, der Abteilungsleitung, oder im größeren Rahmen schlicht von Menschen die Rede ist. Umformulierungen wie „herausgegeben durch“ oder „vertreten durch“ ersetzen männliche Pendants wie Herausgeber und Vertreter, der Wegfall von Possesivpronomen wie „ihr“ oder „sein“ kann ein Übriges bewirken.

Ebenfalls oft nicht bedacht wird der Einsatz von Redewendungen. Auch hier steht „das starke Geschlecht“ häufig im Fokus: altbekannte Formulierungen wie „seinen Mann stehen“, „etwas an den Mann bringen“, „ein gemachter Mann sein“ oder auch die beliebte englische Wendung „last man standing“ sorgen nicht unbedingt dafür, dass sich unser Weltbild erweitert. Mit mehr Bedacht verfasst, kann jedoch leicht vermieden werden, dass Stereotype durch die unüberlegte Verwendung weiter befeuert werden.

Bis zur vollkommenden Gleichberechtigung aller Geschlechter ist es noch ein weiter Weg. Geschlechtergerechte Sprache kann jedoch ihren Teil dazu beitragen, die Gesellschaft zum Umzudenken anzuregen. Oft sind wir uns der Wirkung unserer Worte gar nicht bewusst. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir achtsamer mit unserer Sprache umgehen. Änderungen wie ein Sternchen oder ein Doppelpunkt sollten nicht weiter als Geste an bestimmte Gruppen, sondern als Normalität angesehen werden. Genauso, wie jeder Mensch – egal, welchen Geschlechts.

Auch erschienen auf marconomy.de

Franziska Dickmann ist Texterin PR/Corporate Publishing bei uns. Durch ihre langjährige Tätigkeit in der PR-Branche kennt sie die Herausforderungen geschlechtergerechter Sprache und arbeitet täglich daran, diese zu überwinden.